Home » Sport » Psychologische Trainingsbeispiele

Psychologische Trainingsbeispiele

Fürs Ringen adaptiert, Quelle: Brochüre Psyche aus dem LHB
im Leiterkurs 2014, Kriessern

Fotos vom Kurs

Übung zum Antizipieren

 

Übersicht

  1. Kurzfristige Ziele setzen (Motivation).
  2. Feedback-Sandwich (Selbstvertrauen).
  3. Rückmeldung nach einem Wettkampf (Selbstvertrauen).
  4. Schlüsselwörter zur Konzentrationssteuerung (sich konzentrieren).
  5. Vorbereitungsroutine (sich konzentrieren).
  6. Koordinationstraining (sich konzentrieren).
  7. Blitzentspannung (wahrnehmen und verarbeiten).
  8. Entscheidungstraining (wahrnehmen und verarbeiten).
  9. 10-Sekunden-Kur (Psyche regulieren).
  10. Stimmungsspiel (Psyche regulieren).
  11. Schattenübung (Psyche regulieren).
  12. Blindenübung (kommunizieren).
  13. Anpassung an wechselnde Gegner (Taktik und Strategie).

1.      Kurzfristige Ziele setzen: Was will der Ringer nach dem Training erreicht haben? (Motivation)

Psychologische Übung im Training

Wozu? Der Ringer lernt, sich kurzfristige Ziele respektive Prozessziele zu setzen. In jedem Training sollen Fortschritte erzielt und die Trainingsqualität verbessert werden.
Wie?

Anhand des Trainingsthemas setzt sich jeder Ringer ein Ziel für die drei Bereiche Physis, Technik/ Taktik und Verhalten/Mentales und schreibt sie auf ein Blatt. Nach dem Training werden die Ziele überprüft. Hat der Sportler sie erreicht, setzt er sich im nächsten Training neue. Erreicht er sie nicht, werden die Gründe analysiert. Im nächsten Training kann er sich das gleiche Ziel nochmals setzen, es abändern oder vereinfachen. Aufgrund der Analyse können neue (Trainings-)Massnahmen festgelegt werden.

Wichtig: Die Fortschritte sollen auf dem Blatt sichtbar gemacht werden.

Variation: Bei 5- bis 9-Jährigen kann auch sporadisch mit Trainingszielen gearbeitet werden. Die Ziele werden nur mündlich formuliert. Jedes Kind wird zu Beginn des Trainings aufgefordert, sich ein kleines Ziel zu setzen. Der Trainer fragt die Kinder am Ende der Lektion, ob sie ihr Ziel erreicht haben. Alle erhalten eine Rückmeldung.

2.      Feedback-Sandwich (Selbstvertrauen)

Trainerverhalten

Wozu? Der Ringer erhält systematisch Rückmeldungen, welche den Selbstwert und das Selbstvertrauen stärken. Dies setzt eine positive Lernspirale in Gang.
Wie?

Das Feedback beginnt mit einem positiven Punkt: z. B. «Die Kontrolle deines Gegners am Boden war schon sehr gut.»

Dann folgt eine Korrekturrückmeldung: «Wenn du beim Nackenhebel nächstes Mal weiter um den Kopf herum läufst, bekommst du deine Gegner ganz auf den Rücken gedreht und geschultert.»

Der Abschluss der Rückmeldung zeigt die Entwicklungsrichtung auf und enthält eine motivationale Verstärkung: «Versuche es beim nächsten Durchgang nochmals. Ich bin mir sicher, dass es dir gelingt.»

 

3.      Rückmeldung nach einem Wettkampf (Selbstvertrauen)

Psychologische Übung im Training

Wozu? Ziel ist, sich des eigenen Könnens bewusst zu werden. Es geht darum zu lernen, auf positive Aspekte zu achten und aufbauende Rückmeldungen zu geben. Daraus entwickelt der Sportler systematisch Selbstvertrauen.
Wie?

Im Anschlusstraining an einen Wettkampf setzt sich die ganze Mannschaft in einen Kreis. Jeder Spieler teilt seinem Nachbarn zur Linken mit, was er im letzten Wettkampf gut oder sehr gut gemacht habe («Ich finde, du hast im letzten Wettkampf sehr viele Beinangriffe durchgebracht»). Dieser Vorgang setzt sich der Reihe nach fort, bis jeder eine Rückmeldung gegeben und erhalten hat.

Achtung: Diese Form soll regelmässig, aber nicht jedes Mal durchgeführt werden. Die Rückmeldung muss immer mit einer «Ich-Formulierung» beginnen.

 

4.      Schlüsselwörter zur Konzentrationssteuerung (sich konzentrieren)

Psychologische Übung ausserhalb und im Training

Wozu? Das Ziel der Übung ist, durch den Einsatz von Schlüsselwörtern Aufmerksamkeitsstrategien zu erarbeiten und die Aufmerksamkeitslenkung zu erleichtern.
Wie?

Der Trainer erarbeitet mit dem Ringer Prozessziele für die nächste Trainingseinheit. In einem zweiten Schritt muss der Ringer für sich Schlüsselwörter bestimmen. Diese sollen möglichst kurz und klar formuliert werden. Sie helfen, während der Trainingseinheit den Fokus auf die Prozessziele zu lenken.

Beispiele

Beim Schulterwurf mit beiden Knien auf die Matte gehen à «Knie»Beim Kampf nicht passiv bleiben (zurück weichen) –> «aktiv»Bei Würfen in gefährlicher Lage richtig fixieren und halten –> «Finisher»In der Trainingseinheit versucht Ringer, die Schlüsselwörter in den entsprechenden Situationen anzuwenden. Der Trainer erinnert ihn daran, wenn er das Gefühl hat, er wende diese zu wenig an. Er kann deren Verwendung auch durch Nachfragen überprüfen.

Variation: Die Schlüsselwörter können auch in einer Gruppe/Kleingruppe erarbeitet werden. Am Ende der Trainingseinheit kann der Trainer mit einem kurzen Fragebogen zur Selbsteinschätzung überprüfen, ob sie angewendet worden sind.

 

5.      Vorbereitungsroutine (sich konzentrieren)

Psychologische Übung im Training

Wozu? Beim Ringer soll sich eine Ausführungsroutine einstellen, indem er jedes Mal die gleiche Abfolge einhält und sich so jeder einzelnen Phase konzentriert widmen kann.
Wie?

Es ist wichtig, sich bei Standardsituationen immer in der gleichen Art vorzubereiten und zu konzentrieren. Die Vorbereitungsroutine läuft in den drei Phasen Vorbereitung, Fokussierung und Ausführung ab.

Der Ringer beispielsweise führt eine Parterre-Handlung als Obermann folgendermassen aus (Ziel: Gegner am Boden halten):

1. Vorbereitungsphase: Er stellt sich mit Abstand kurz hin, stellt sich seinen Druck auf die gegnerische Schulter vor und atmet zwei Mal tief durch.

2. Fokussierphase: Der Ringer positioniert seine Füsse an einen geeigneten Ort, um den nötigen Druck aus dem Körper auszuführen und sucht in Gedanken die geeignete Stelle auf des Gegners Rücken für den Druck mit den Händen.

3. Ausführungsphase: Der Ringer sagt sich «bereit», setzt die Hände auf und führt den Druck beim Kampfrichterpfiff blitzschnell aus.

 

6.     Koordinationstraining (sich konzentrieren)

Psychologische Übung im Training

Wozu? Der Ringer weiss, wie seine Individualtechniken innerlich ablaufen und was er dabei spürt. Anhand eines Drehbuchs wird der Schlag oder die Bewegung von innen verfeinert oder verbessert.
Wie?
  1. Der Ringer wählt eine Technik aus, die er verbessern will. Er beschreibt die Ausführung der Technik in allen Details. Zur Beschreibung bzw. zum Skript gehören alle Bewegungen und alle Sinneswahrnehmungen (Körpergefühl, Geruch, Gehör und Geschmack). Der Ringer kann die Technik auch real ausführen, um die Beschreibung zu konkretisieren. Der Trainer und der Spieler gehen das Drehbuch gemeinsam durch und prüfen, ob fehlerhafte Vorstellungen vorkommen oder was verbessert werden kann.
  2. Danach stellt sich der Ringer im Training die Bewegung nach seinem Skript vor und führt sie im Anschluss daran auch wirklich aus.
  3. Trainer und Spieler kürzen das Drehbuch auf die wichtigsten Phasen der Technik.
  4. Der Ringer stellt sich im Wechsel erneut die Bewegungen nach seinem Drehbuch vor und führt sie danach wirklich aus.
  5. Das Skript wird auf 3 bis 4 Kommandos gekürzt, die dem Ringer am wichtigsten erscheinen. Er verknüpft bestimmte Vorstellungen und Gefühle mit den Kommandos.
  6. Danach führt der Ringer die Technik nach den Kommandos im Kopf aus.

 

7.      Blitzentspannung (wahrnehmen und verarbeiten)

Psychologische Übung ausserhalb des Traininga

Wozu? Der Ringer lernt, vorhandenen Stress sofort zu mindern. Er erhält ein Gefühl der inneren Ausgeglichenheit und spürt die Entspannung nach wenigen Sekunden.
Wie?

Der Ringer soll stehend oder sitzend eine bequeme und aufrechte Haltung einnehmen. Der Trainer gibt ihm folgende Instruktion: «Stell dir vor, du bist eine Marionette, die an mehreren Fäden aufgehängt ist. Deine Arme und Hände, dein Nacken, deine Beine und Füsse hängen an diesen Fäden. Stell dir vor, jemand schneide plötzlich die ganzen Fäden gleichzeitig durch. Du lässt blitzartig alles hängen und atmest gleichzeitig aus. Deine gesamte Muskulatur von Kopf bis Fuss ist locker.»

Variation: Der Ringer kann die Übung auch selbst durchführen. Sie ist in jeder Stresssituation einsetzbar.

 

8.     Entscheidungstraining (wahrnehmen und verarbeiten)

Psychologisch orientiertes Ringertraining

Wozu? Das Training soll die Qualität und die Sicherheit bei taktischen Entschlüssen verbessern. Je öfter eine Situation wahrgenommen und korrekt verarbeitet wird, desto automatischer handeln die Ringer. Dies erhöht ihre Entscheidungssicherheit und stärkt ihr Selbstvertrauen.
Wie?

Ein Ringer (Verteidiger) A steht in der Ringerposition bereit. Der ausführende Ringer B muss je nach Verhalten des Verteidigers eine Technik ausführen:

Hält der Ringer A während der Bewegung einen Arm nach vorne, soll der Ringer B einen Schulterwurf durchführen. Hat der Ringer A eine enge Fussstellung, greift Ringer B die Beine an (Zweibeinangriff).Diese beiden Situationen soll sich der Angreifer zuerst mit geschlossenen Augen vorstellen. Er soll jede Situation mit einem individuellen Schlüsselwort, beispielweise «Wurf» und «tief» versehen. Anschliessend öffnet er die Augen und führt die Übung durch.

Mit der Zeit kann der Trainer die Komplexität steigern und die Übung schrittweise der Wettkampfsituation annähern.

 

9.     10-Sekunden-Kur (Psyche regulieren)

Psychologische Übung im Training

Wozu? Diese Übung dient dazu, dass der vor dem Wettkampf eingenommene optimale Leistungszustand auch im Wettkampf erhalten bleibt. Während der Kampfrunde bleibt keine Zeit, um Einstellungen und Gefühle zu beeinflussen und zu regulieren. Dies muss zwischen den Runden oder in Verletzungspausen geschehen. Die 10-Sekunden-Kur fördert die Konzentration, die Wahrnehmung, den Stressabbau und die Entspannung.
Wie?

Der Ringer lernt dank dieser Übung, die Kurzpausen im Kampf gezielt zu nutzen.Diese werden in vier Schritte aufgeteilt:

Schritt 1:    (1–2 Sekunden). Positive oder neutrale Körpersprache. Der Ringer zeigt dem Gegner sofort nach einer gewonnenen Runde mit Jubelgesten und Worten seine positiven Gefühle. Auch nach einer verlorenen Runde soll eine positive Reaktion gezeigt werden, beispielsweise indem der Ringer eine aufrechte Körperhaltung einnimmt, den Fehler wegwischt und ein aufmunterndes Selbstgespräch («Den Kampf dreh ich noch»)führt.

Schritt 2:    (3–6 Sekunden). Entspannung. Je nach Intensität der vorangegangenen Runde soll sich der Ringer auf die Atmung konzentrieren. Er atmet zwei bis drei Mal tief durch, schüttelt dabei seine Arme aus, richtet den Blick auf einen ruhenden Ort (Schlägerkopf) und erholt sich so vom Stress und der Muskelspannung.

Schritt 3:    (2–4 Sekunden). Vorbereitung, Konzentration. Der Ringer sagt sich leise den Punktestand und führt sich vor Augen, was er als Nächstes tun wird (z. B. welches Technik er durchbringen will). Er ist sich seiner Taktik bewusst.

Schritt 4:    (2–4 Sekunden). Ritual. Der Ringer ist tief konzentriert. Er führt sein gewohntes Vorbereitungsritual für die nächste Runde durch (z. B. hüpft leicht, atmet ein bis zweimal entschlossen ein, der Blick ruht auf dem Mattenzentrum usw.). Dabei stellt er sich vor, wie Energie in den Körper fliesst. Die nächste Runde lässt er automatisch ablaufen.

 

10.  Stimmungsspiel (Psyche regulieren)

Psychologisch orientiertes Ringertraining

Wozu? Der Ringer soll bewusst wahrnehmen wie sich Stimmungen anfühlen und wie diese einen Kampf beeinflussen. Beobachtende Ringer lernen die Körpersprache des Gegners schneller einzuschätzen und welchen Einfluss diese auf den Kampf hat.
Wie? Ein Ringer bekommt vom Trainer die Anweisung, möglichst realistisch in einer bestimmten Grundstimmung (aggressiv, ängstlich, deprimiert, locker) zu ringen. Die anderen Ringer der Trainingsgruppe müssen die Grundstimmung und deren Merkmale herausfinden.

 

11.  Schattenübung (Psyche regulieren)

Psychologisch orientiertes Ringertraining, förderliches Trainerverhalten

Wozu? Die Ringer lernen, sich für eine von mehreren Möglichkeiten frei zu entscheiden. Es werden ihnen im Zusammenhang mit Disziplin und kalkuliertem Risiko sowie durch die Variabilität von Techniken weitere taktische Möglichkeiten aufgezeigt.
Wie?

Zwei Ringer A und B kämpfen. Ein dritter Ringer C versetzt sich in die Lage von Ringer A und verfolgt seine Aktionen zu verfolgen (wenn möglich, aus demselben Blickwinkel).

Ringer C unterbricht ab und zu den Kampf, um Anregungen zu geben oder wichtige taktische Situationen und Entscheidungen zu besprechen.

 

12.  Blindenübung (kommunizieren)

Psychologisch orientiertes Ringertraining

Wozu? Diese Übung erfordert von Ringer B ganz klare Befehle. Ringer A muss den Anweisungen vertrauen und sie befolgen, damit eine erfolgreiche Bewältigung der Aufgabe möglich ist.
Wie?

Ringer A und B stehen sich gegenüber. Ringer A schliesst die Augen (oder hat die Augen verbunden). Beobachter C gibt klare Anweisungen, was A nun machen muss, um einen bestimmten Griff an Ringer B durchzuführen.

Hinweis: Die Anweisung darf die Bezeichnung der Technik nicht beinhalten.

Nach der 1. Anweisung führt der Ringer A die Bewegung aus und erhält dann die zweite Anweisung von C.

 

13.  Anpassung an wechselnde Gegner (Taktik und Strategie)

Psychologisch orientiertes Ringertraining

Wozu? Der Ringer muss flexibel auf verschiedene Gegner reagieren. Je besser er eine geeignete Strategie umsetzen kann, desto erfolgreicher wird er sein.
Wie?

In 3er-Gruppen: Ringer A kämpft gegen Ringer B und bleibt auch für die nächste Runde gegen Ringer C. Danach bleibt Ringer C auf der Matte und kämpft gegen B usw.

Variation: Ringer A bleibt mehrere Doppelrunden auf der Matte

 

Zusätzliche Literatur

Loosch, Eberhard (1997): Psychologische Aspekte der Zweikampfsportarten. In: Judo – Wurf und Fall. Beiträge zur Theorie und Praxis der Kampfsportart Judo. Schorndorf. S. 76–90

image_pdfimage_print